Mittwoch, 11. Februar 2009
Kapitel 2 - Wiedergeburt
„Ich glaube er wacht auf.“
„Das können wir nicht zulassen, das würde er in diesem Zustand nicht überleben. Halten sie ihn im Koma!“
„Jawohl Dr. Joha....“
„Was ist Schwester Ines?“
„Er schaut mir in die Augen!“
„Das kann er nicht und sie wissen es! Sein Nervensystem befindet sich noch im Wiederaufbau! Er kann frühestens in einer Woche auf Reize reagieren und selbst dann ist er in einem Zustand, in dem er mehr mit einer Amöbe als mit einem Menschen gemeinsam hat.“
Dr. Johannson ärgerte sich, denn eigentlich sollte es Schwester Ines besser wissen. Seit sechs Monaten arbeitete sie nun an seiner Seite und er hatte gehofft, dass sie die Prozesse, welche beim ReGen-Prozess ablaufen, langsam verstehen würde. Sie war ein außerordentlich hübsches junges Ding, aber leider völlig begabungsfrei. Wegen ihres angenehmen Äußeren war Johannson bereit, ihre Ignoranz und Naivität noch eine Weile zu ertragen. Mit ihren 24 Jahren und den blonden langen Haaren stellte sie eine ästhetische Bereicherung in diesen kargen Kriegszeiten dar. Den Prozess der „Wiedergeburt“ würde sie aber wohl nie verstehen können.
Es war ein schwieriger Ablauf, der nur in wenigen Fällen bemüht werden konnte. Der Verletzte wurde dabei in einem Nährstoffbehälter in künstlichem Koma gehalten, mit der Hilfe von Nanorobotern wurden die fehlenden Gliedmaßen rekonstruiert und alle Wunden versorgt. Doch selbst die komplette äußere Wiederherstellung war keine Garantie dafür, dass man dem Patienten geholfen hatte. Das erinnerte ihn an den General, welchen er vor einigen Wochen betreut hatte, dieser saß jetzt in einem Schaukelstuhl, konnte den Urin nicht halten, kein einziges Wort sprechen und starrte Tag für Tag Löcher in die Wand. In seinem Fall wäre der Tod sicher eine Gnade gewesen. Doch er konnte trotz dieser Rückschläge nicht aufgeben. Wenn die Therapie in einem einzigen Fall gelingen würde, dann wären seinen Forschungen alle Tore geöffnet. Der Krieg war ein Geschenk des Himmels für seine Arbeit.
„Bitte, Dr. schauen sie sich das mal an... bitte!“
Die verzweifelte Ines riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. Nur um sich selbst zu überzeugen, dass diese nette, aber doch etwas minderbemittelte Person einmal mehr im Irrtum war, erhob er sich aus seinem Sessel und begab sich zum Flüssigkeitstank in der Mitte des Raumes.
„Ja, Schwester Ines, schon gut. Ich schaue es mir ja an!“

Als Dr. Johannson an den runden Glascontainer angekommen war und mit offenem Mund davor stehen blieb, musste Ines die Hand vor den Mund nehmen um kein breites Grinsen zu zeigen. Der dümmlich erstaunte Gesichtsausdruck auf dem Gesicht dieses geilen alten Bocks löste große Freude und Zufriedenheit in ihr aus. Seit geschlagenen 6 Monaten bemühte sie sich darum, eine ordentliche Krankenschwester zu spielen und diesen Mittfünfziger interessierten nur ihre Möpse. Als die interne Sicherheitsagentur der Globalen Verteidigungskräfte einen Spezialauftrag ausgeschrieben haben, da hatte sie sich etwas anderes erhofft, als in einer mobilen Militärbasis den feuchten Schwesterntraum eines gescheiterten Genies zu spielen. Ihre Fähigkeiten und Kenntnisse auf nahezu jedem Gebiet übertrafen die des Doktors um ein vielfaches und sie wünschte sich mehr als einmal, dass ihm endlich der Geldhahn zugedreht würde. In diesem Moment genügte ihr aber der kleine Triumph beim Anblick seines immer noch verdutzten Gesichtsausdrucks.
Der Patient im Innern des Containers klopfte lautstark gegen die Scheiben und strampelte lebhaft mit seinen neuen Beinen. Im ersten Moment hatte sie dieser ungewohnte Anblick selbst geschockt. Unterbewusst hatte sie es seit langem gehofft, der junge Soldat hatte etwas in ihr berührt. Seine Augen, die während dem Prozess der Rekonstruktion durch Gentechnologie und Nanorobotik nie ganz geschlossen waren, faszinierten sie zutiefst. Sie konnte es selbst kaum glauben, dass er überhaupt noch am Leben war. Als ein Sonderkommando ihn vor knapp 4 Monaten angeschleppt hatte, war er kaum mehr als ein blutiger und klebriger Haufen Biomasse gewesen. Seine Beine und Arme waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden und die Stümpfe bluteten stark. Doch zum jetzigen Zeitpunkt hatte sie einen ansehnlichen und äußerst reizvollen Mann vor sich, der viel früher als erwartet zu sich gekommen war. Sie wünschte sich, dass er nicht auf dem Niveau eines Butterbrötchens zu sich kommen würde, sondern vielleicht irgendwann einmal dazu in der Lage wäre mit ihr essen zu gehen.

Endlich schien sich auch Dr. Johannson wieder fassen zu können. In sichtlich bemühter Gelassenheit versuchte er die Selbstbeherrschung zurück zu erlangen. Seine Hände zitterten dennoch und die Anspannung war ihm deutlich anzumerken, er zwang sich weiter zur Ruhe und ging alle notwendigen Arbeitsschritte mit pedantischer Genauigkeit durch. Worauf kam es jetzt an? Ihm fehlte die Erfahrung mit Patienten, welche nach einer ReGen-Behandlung noch in der Lage waren ihre Gliedmaßen selbst zu kontrollieren. Bisher hat diese Therapie nur lebende Tote geschaffen, deren Körper zwar geheilt war, aber deren Geist nicht mehr in der Lage war einen Apfel von einem Hochhaus zu unterscheiden. Würde es diesmal anders sein? Könnte der Durchbruch nun endlich erzielt worden sein? Wieder und wieder musste er sich zur notwendigen Sorgfalt ermahnen, kleinste Fehler konnten das ganze Projekt gefährden. Er liebte und hasste seinen Patienten in diesem Moment, er liebte ihn dafür, dass er endlich am Ziel seiner Träume ankommen könnte und er hasste ihn dafür, dass er vermutlich doch nur aus reinem Reflex gezuckt hatte. Die Finanzierung des kompletten und heftig umstrittenen Projektes konnte an diesem unbedeutenden Menschen hängen. Ob er seine Patienten liebte? Liebe ist ein Wort, welches die Besessenheit nicht korrekt wiedergeben konnte, die er für sie aufbrachte. Er würde tausende von hirnlosen Krüppeln in Körpern von Adonissen produzieren, nur um den einen – den perfekten – Soldaten zu erschaffen. Moralische Bedenken brauchte er nicht zu haben, denn was ihm geliefert wurde war kaum mehr als Mensch zu erkennen gewesen.

Der Moment der Wahrheit rückte näher, die Nährflüssigkeit war bereits abgesaugt und die Glocke konnte im Boden versenkt werden. Während das Sicherheitsglas im Boden versenkt wurde nahm das Wunder des Lebens seinen Lauf. Der körperlich wiederhergestellte Soldat, der genau wie alle anderen vor ihm wohl ein Dauerpflegefall bleiben würde, zeigte deutliche Vital-Funktionen. Die erste Handlung im zweiten Leben von Steve Matson bestand darin, geräuschvoll und ausgiebig auf den lupenrein gewischten Boden der medizinischen Abteilung zu kotzen.

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Und weiter?
Beide Kapitel sind wirklich gut geschrieben (Stil, Wechsel zwischen Charaktern, schon Andeutungen auf weitere Story? etc.) und machen Lust auf mehr!

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Danke fürs Interesse
Es wird immer weitergehen mit der Geschichte... Die Frage ist nur immer wann ich dazu komme... drei weitere Kapitel sind vorbereitet... ich bin offen für jede Anregung und Kritik auch wenn das Grundgerüst steht...

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